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Gasnetz: Kommt es zum massiven Rückbau?
Das Bundeswirtschaftsministerium plant eine erhebliche Umstrukturierung des Gasnetzes, was Auswirkungen auf Millionen von Haushalten haben könnte. Ein aktuelles Papier skizziert mögliche Veränderungen und stellt Fragen zur Zukunft der Gasversorgung in Deutschland.
Zukunft des Gasnetzes wird zum Diskussionsthema
Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland möglichst klimaneutral sein. Fossile Brennstoffe werden bei der Energieversorgung somit keine Rolle mehr spielen. Was geschieht dann mit dem Gasnetz, das sich über eine Gesamtlänge von rund 500.000 Kilometern durch das Land erstreckt? Zu dieser Frage gab es bislang kaum Diskussionen. Doch damit hat sich nun das Bundeswirtschaftsministerium auseinandergesetzt und ein Schriftstück erarbeitet. Das 23-seitige Papier sorgt derzeit für viel Diskussionsstoff.
Darin wird ein erheblicher Rückbau des Gasnetzes ins Gespräch gebracht. Dieses Vorhaben betrifft rund 50 Prozent der Haushalte, denn derzeit nutzt noch etwa die Hälfte der Deutschen Gas als Energiequelle. Der Rückbau hat deswegen Relevanz, da die Leitungen nicht einfach nur unter der Erde liegen, sondern auch Kosten verursachen. Verteilstationen, Anschlüsse und Rohre müssen gewartet und bei Bedarf repariert werden.
Die Verbraucher decken diese Kosten durch Netzentgelte ab. Reduziert sich jedoch allmählich die Anzahl der Gaskunden, bleibt zwar der finanzielle Aufwand für die Instandhaltung gleich, aber die Kosten werden auf weniger Schultern verteilt. Sinkt die Anzahl der Gaskunden zu stark, ist es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll, dieses Netz zu betreiben – weder für den Versorger noch für die Verbraucher.
Erhalt der Gasleitungen von verschiedenen Seiten gefordert
Aus diesem Grund stellt das Wirtschaftsministerium das Recht für Netzbetreiber in Aussicht, neue Gasanschlüsse zu verweigern oder bestehende zu kündigen. Schon jetzt erhält das Ministerium aber von verschiedenen Seiten Gegenwind für sein Konzept.
Warnende Worte kommen unter anderem vom Koalitionspartner FDP. Fraktions-Vize Lukas Köhler findet die Diskussionen über die Stilllegung des Gasnetzes „vollkommen unangemessen“, wie er gegenüber der Rheinischen Post erklärt. Womöglich werde das Netz noch für Wasserstoff als künftigen Energieträger benötigt. Dessen Herstellung ist seiner Ansicht nach „kein Hexenwerk“. Köhler erwartet, „dass ab Mitte der 30er-Jahre Wasserstoff relativ gut und günstig verfügbar sein wird“.
In eine ähnliche Richtung gehen die Aussagen von Nina Scheer, der energiepolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Die Zukunft des Gasnetzes hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter auch noch die bevorstehenden kommunalen Wärmeplanungen.“ Sie hält es für „fahrlässig“, Gasnetze schon jetzt infrage zu stellen. Gerald Linke, Chef vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), fordert: „Wir brauchen die Gasnetzinfrastruktur für Wasserstoff, ansonsten gehen in Deutschland die Lichter aus.“
Wirtschaftsministerium relativiert Kritik
Auf Anfrage von Ippen Media hat sich das Wirtschaftsministerium zur Kritik geäußert. In einer Stellungnahme heißt es: „Es handelt sich hier um eine Konsultation, die Fragen an die Branche stellt, insbesondere an die Netzbetreiber – nicht um Pläne.“ Ob und in welchem Maß Gasnetze zurückgebaut werden, hänge von den jeweiligen Bedingungen vor Ort ab.
Die Kommunen würden derzeit an der Wärmeplanung arbeiten und dabei entscheiden, wo Fernwärme zum Einsatz kommen könne und wo sich Gasverteilernetze auf Wasserstoff oder Biomethan umrüsten lassen. Auch die Sorge, Netzbetreiber würden einfach den Betrieb der Netze aus mangelnder Wirtschaftlichkeit einstellen, relativiert das Ministerium. Das sei nur möglich, wenn es für die Verbraucher eine gleichwertige Lösung gebe.