Die Gaspreise machen einen Sprung nach oben – das sind die Gründe

Die Gaspreise machen einen Sprung nach oben – das sind die Gründe

Rund ein halbes Jahr lang war die Lage auf dem Gasmarkt entspannt, die Preise gingen nach unten. Jetzt hat es einen markanten Anstieg gegeben. Wie ist das in der Sommerzeit zu erklären?

Verdoppelung innerhalb kürzester Zeit

Während der Energiekrise waren Preisschwankungen und schwer vorhersehbare Entwicklungen üblich. Doch seit Mitte Dezember hatte sich die Lage auf dem Gasmarkt deutlich entspannt. Jetzt ist es wieder zu einem auffälligen Ausschlag nach oben gekommen.

Der TTF gilt als Europas wichtigster Handelsplatz für Gas. Dort wurden am 15. Juni knapp 50 Euro für eine Megawattstunde Gas aufgerufen. Der Preis hat sich damit innerhalb von 2 Wochen mehr als verdoppelt, denn zu Beginn des Monats zahlten die Versorger noch rund 20 Euro. Gegenwärtig ist er wieder etwas gesunken und bewegt sich im Bereich von 40 Euro pro Megawattstunde.

Bei den Verbrauchern macht sich diese kurzfristige Veränderung noch nicht bemerkbar. Neukunden unterzeichnen aktuell oftmals Tarife für 9 Cent pro Kilowattstunde. Damit liegen die Preise auf dem gleichen Niveau wie zuletzt im Oktober 2021. Sollten die Großhandelspreise längere Zeit so hoch bleiben, könnten aber auch die Verbraucher die Auswirkungen zu spüren bekommen.

Eine der Ursachen liegt im hohen Norden

Der Preisanstieg lässt sich gleich auf mehrere Faktoren zurückführen. Bill Weatherburn ist Rohstoffökonom und arbeitet für das Wirtschaftsforschungsunternehmen Capital Economics. Die derzeitige Situation kommentiert er folgendermaßen: „Der jüngste Preisanstieg zeigt, wie empfindlich der europäische Markt auf Störungen reagiert.“

Eine dieser Störungen ist die Abschaltung der Gasaufbereitungsanlagen des norwegischen Netzbetreibers Gassco. Die Anlage Nyhamna sollte ursprünglich am 21. Juni wieder in Betrieb genommen werden. Allerdings hat das Unternehmen diesen Termin auf den 15. Juli verschoben. Dadurch entgehen Europa rund 2 Milliarden Kubikmeter Erdgas, die etwa 2 Prozent der norwegischen Jahresproduktion entsprechen.

Zudem sind 2 weitere Gasanlagen für unbestimmte Zeit vom Netz genommen worden. Als Grund nennt Gassco „Prozessprobleme“. Norwegen hat Russland als wichtigsten Gasimporteur in die EU abgelöst. Rund 25 Prozent der gesamten Versorgung steuern die Skandinavier bei. Ein Ausfall dieser Art macht sich dann durchaus bemerkbar.

Stilllegung in den Niederlanden und weniger Flüssigerdgas

Die empfindliche Reaktion der Märkte hat jedoch noch weitere Gründe. Für Aufsehen sorgen auch Meldungen aus den Niederlanden. Von dort heißt es, das Gasfeld in Groningen werde noch im Oktober dieses Jahres eingestellt. Dabei handelt es sich um Europas größtes Gasfeld, wobei die Produktion bereits in den letzten Jahren wegen Erdbebengefahr in der Region zurückgefahren wurde. Eigentlich sollte die Stilllegung erst 2024 erfolgen, nun zieht Deutschlands westlicher Nachbar die Pläne vor.

Ein weiterer Faktor ist der reduzierte Import von Flüssigerdgas (LNG). Im Vergleich zum Mai ging dieser um 5 Prozent zurück. Die Verfügbarkeit ist in diesem Fall nicht das Problem. Vielmehr fällt die Nachfrage in Europa wegen der wirtschaftlich schwierigen Situation und aufgrund des sommerlichen Wetters geringer aus.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine erzeugt insbesondere auf dem europäischen Markt eine Lücke. Über viele Jahre hinweg lieferten die Russen Gas zum günstigen Preis. Diese Mengen sind nun deutlich zurückgegangen. Zwar ist die momentane Gasversorgung ebenfalls ausreichend, doch die Auswirkungen auf den Handel lassen sich am aktuellen Beispiel nachvollziehen: Der Markt ist schwankungsanfälliger und Prognosen fallen schwerer. In der Folge kommt es häufiger zu Preissprüngen.

Mit einem erneuten Kostenanstieg wie zu den Hochzeiten der Energiekrise ist trotzdem nicht zu rechnen. Als unwahrscheinlich gilt aber auch, dass schnell wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird. Experten wie Timm Kehler, Geschäftsführer des Verbands Zukunft Gas, erwarten dennoch einen Abwärtstrend: „Wir werden mit Sicherheit eine Dämpfung der Preise in den nächsten 18 Monaten sehen.“